Das DRW – Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache

Das Deutsche Rechtswörterbuch ist kein enzyklopädisches Lexikon, sondern ein Wörterbuch. Das heißt, es wird hier das einzelne Wort mit seinen Bedeutungen dargestellt, nicht ein Rechtsinstitut oder Rechtsbegriff mit seiner Geschichte und seinen verschiedenen Bezeichnungen, abgehandelt unter einem Oberbegriff.
Das Deutsche Rechtswörterbuch ist – als ein Wörterbuch der älteren Sprache – ein historisches Wörterbuch. Es behandelt die Sprache des Rechts vom Beginn der schriftlichen Überlieferung in lateinischen Urkunden der Völkerwanderungszeit bis etwa 1800. Für die heutige Rechtssprache müssen Sie in einem modernen Rechtswörterbuch nachschlagen. Es gibt solche beispielsweise von Creifelds und Köbler.
Weiter ist es ein Wörterbuch der deutschen Rechtssprache. "Deutsch" bezeichnet nach der Theorie des 19. Jahrhunderts, in dem das DRW konzipiert wurde, als Oberbegriff die gesamte westgermanische Sprachfamilie, wie Jacob Grimm es in seiner Einleitung zum Deutschen Wörterbuch festgelegt hat, "so dasz gleichwohl die friesische, niederländische, altsächsische und angelsächsische noch der deutschen sprache in engerm sinn zufallen" [Band I, Leipzig 1854, p. XIV].
Und schließlich ist das Deutsche Rechtswörterbuch ein Wörterbuch der Rechtssprache. Der Begriff Rechtssprache bezeichnet keine Fachsprache im engeren Sinne, sondern den Allgemeinwortschatz in seinen rechtlichen Bezügen. Dargestellt wird, wie sich Rechtsvorstellungen und Rechtsinstitute in der Alltagssprache manifestiert haben. Das DRW enthält somit nicht bloß juristische Fachbegriffe, sondern auch alle Wörter der Allgemeinsprache, sofern sie in rechtlichen Kontexten auftreten. So wird auch ein Adjektiv wie "nackt" behandelt – in seiner rechtsrelevanten Bedeutung "im Zustand der Nacktheit als Indiz für Ehebruch". Sie finden bei uns also Wörter wie "machen", "Kuß", "Kessel" und "Linde" ebenso wie "Litiskontestation", "Pfandkonstitution" und "Pfarracker".
Geschichte des Deutschen Rechtswörterbuches
1896/97 |
Das DRW wird als Unternehmen der damaligen Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften begründet. Es ist die klassische Epoche der deutschen Rechtsgeschichte, Namen wie Karl von Amira, Heinrich Brunner, Richard Schröder und Ulrich Stutz sind zu nennen, und es ist mit der Bearbeitung des Deutschen Wörterbuchs, des Etymologischen Wörterbuchs von Friedrich Kluge, des Schweizerischen Idiotikons und einigen anderen großen Mundartwörterbüchern eine Blütezeit der Lexikographie. Der Gründungskommission des DRW gehörten die Rechtshistoriker Karl von Amira, Heinrich Brunner, Ferdinand Frensdorff, Otto von Gierke und Richard Schröder sowie der Historiker Ernst Dümmler und der Sprachhistoriker Karl Weinhold an. Der Heidelberger Rechtsgelehrte Richard Schröder übernahm die organisatorische Leitung - der Sitz des Wörterbuchunternehmens war also von Anfang an in Heidelberg. Die Gründungskommission veröffentlichte den Wörterbuchplan in der Savigny-Zeitschrift für Rechtsgeschichte und rief zur Mitarbeit am Wörterbuch auf. Mit Erfolg: bis zur Vollendung des ersten Wörterbuchbandes im Jahr 1932 haben sich rund 250 Personen an der Exzerption der Quellen beteiligt, darunter Studenten, "Ältere, Doktoren, Professoren, Archivbeamte, Lehrer und geschichts- und sprachkundige Laien aller Stände", wie Eberhard von Künßberg im Vorwort zum 1. Band des DRW zusammenfasst. |
1917 | Eberhard Freiherr von Künßberg wird die Leitung des Wörterbuchs übertragen. Er bewies dabei "größte Umsicht, feinstes sprachliches und juristisches Gefühl". Darüber hinaus bewahrte er das Wörterbuch seit 1933 vor Konzessionen an den damaligen Zeitgeist. Sein Tod 1941 und die Folgen des zweiten Weltkriegs brachten dem Wörterbuch tiefe Einbrüche, deren Auswirkungen sich bis in die siebziger Jahre fortsetzten. |
1959 | Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften übernimmt die Trägerschaft für das Wörterbuch: bis zu diesem Zeitpunkt war es de iure noch der Deutschen Akademie in Berlin (Ost) als Rechtsnachfolgerin der Königlich Preußischen Akademie zugeordnet. |
1970 | Auftakt einer Reihe dringend erforderlicher Reformen des Unternehmens. |
1971 | Günther Dickel übernimmt die wissenschaftliche Leitung des Wörterbuchs. |
1973 | Heino Speer wird die Leitung der Forschungsstelle übertragen. |
1985 | Nach dem Tod G. Dickels übernimmt Speer auch die wissenschaftliche Leitung des DRW. Damit begann auch die schrittweise Einführung der elektronischen Datenverarbeitung. |
1999 | Mit der von der DFG geförderten weltweiten und kostenfreien Internetpublikation zunächst eines Teiles des Wörterbuchs werden auch nach außen sichtbare Erfolge erbracht. Inzwischen werden dem Internetnutzer annähernd alle bereits fertiggestellten Wortartikel sowohl in einer (voll recherchefähigen, vielfach verlinkten) elektronischen Fassung als auch als Online-Faksimile der Druckversion zur Verfügung gestellt. Dieses Onlineangebot wird durch Faksimiles und teils auch elektronische Volltextversionen zahlreicher Quelltexte mit zusätzlichen Recherchemöglichkeiten abgerundet. |
2007 | Mit dem Ruhestand von Heino Speer wird Andreas Deutsch zum Leiter der Forschungsstelle berufen. |

Nicht weniger als fünf Bände des DRW (nämlich Band 7-11) wurden von Heino Speer gestaltet und wissenschaftlich geprägt. Er widmete sich nun verstärkt dem von ihm initiierten und geleiteteten DFG-Projekt DRQEdit, das zum Ziel hat, alle wichtigen deutschsprachigen Rechtstexte des 15. und 16. Jahrhunderts im Internet verfügbar zu machen. Inzwischen beschäftigt ihn vornehmlich die österreichische Rechtsgeschichte (vgl. sein Projekt RepÖstRG).
Das DRW wird nach einem festen Publikationsplan erstellt. Alle zwölf bis dreizehn Monate soll eine Doppellieferung abgeschlossen sein; fünf Doppellieferungen bilden einen Band. Jeder Band wird voraussichtlich über 5.000 Wortartikel enthalten, so dass der gesamte im DRW zu bearbeitende Wortschatz sich auf etwa 120.000 Wortartikel belaufen wird. Das Wörterbuchsprojekt soll 2035/36 abgeschlossen sein.
Die Arbeit mit Archivzetteln
Ein historisches Wörterbuch beruht auf der Auswertung der entsprechenden Quellentexte - so auch das Rechtswörterbuch. Die infrage kommenden Rechtswörter wurden in ihrem Kontext auf Belegzettel von Hand abgeschrieben, in alphabetischer Reihenfolge sortiert und archiviert. Unser Belegarchiv enthält heute mehr als 2,5 Millionen Belegzettel. Viele namhafte Rechtshistoriker wie Karl von Amira, aber auch interessierte Laien haben ehrenamtlich Quellen für das Belegarchiv ausgewertet. Die Grundlage für die Wörterbuchartikel sind immer die einzelnen Wortbelege auf den Belegzetteln. Die meisten dieser Zettel sind allerdings vor achtzig oder neunzig Jahren angefertigt worden. Sie sind uneinheitlich, und sie enthalten häufig Abschreibefehler oder die Handschrift ist schwer leserlich.

Ist keine zuverlässige elektronische Edition vorhanden, muss der auf dem Belegzettel nachgewiesene Belegtext daher vor der Übernahme ins Rechtswörterbuch nochmals anhand der jeweiligen Quellenedition überprüft und aus der Edition in die Datenbank übertragen werden.
Längst wird die Belegauswahl durch elektronische Suchmöglichkeiten über verschiedene Textdatenbanken ergänzt. Jedoch gerade bei besonders häufig belegten Wörtern, die in den Datenbanken übermäßig oft zu finden sind, und bei sehr seltenen Wörtern, die sich kaum nachweisen lassen, ist die intelligente Vorauswahl der Belegzettel ungemein hilfreich, wenn nicht gar unerlässlich. Dies gilt für das DRW noch mehr als für andere historische Wörterbücher, weil das DRW zahlreiche unterschiedliche Sprachstufen und Sprachvarietäten behandelt und daher die Schreibweisen der einzelnen Wörter besonders stark variieren können. Hier ist oft viel Fachwissen gefragt, um Schreibformen (in einem Beleg oder aus der Datenbank) dem richtigen Wort zuzuordnen.