Mit einem Gesamtwert von 85.000 Euro werden dieses Jahr acht junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Baden-Württemberg für ihre Arbeiten ausgezeichnet. Mit den gestifteten Preisen sollen gerade Forschende in einem frühen Karrierestadium ermutigt und ihre Wissenschaft unterstützt werden. Vergeben werden die Preise von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, die zugleich Landesakademie der Wissenschaften von Baden-Württemberg ist. Am 7. Juni 2024 werden die Arbeiten im Rahmen der Preisvorträge 2024 öffentlich in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vorgestellt.
Der Akademiepreis (interner Link), zum 75-jährigen Gründungsjubiläum der Heidelberger Akademie im Jahr 1984 vom Verein zur Förderung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gestiftet, geht 2024 an Dr. Alexander Schlaich. In der ausgezeichneten Arbeit wurde eine neuartige Computersimulationsstrategie entwickelt, die es ermöglicht, die elektrostatischen Wechselwirkungen mit beliebigen realistischen Materialien zu modellieren. Dank dieser neuen Methode konnte erstmals der Benetzungsübergang auf der Nanoebene für Materialien unterschiedlicher isolierender oder metallischer Eigenschaften untersucht werden. Dieser Ansatz bietet einen neuen theoretischen Rahmen zur Vorhersage des ungewöhnlichen Verhaltens geladener Flüssigkeiten, insbesondere in Kontakt mit nanoporösen metallischen Strukturen, und hat direkte Anwendungen in den Bereichen Energie und Umwelt.
Dr. Alexander Schlaich studierte an der Universität Stuttgart Physik. 2017 wurde er an der Freien Universität Berlin promoviert. In seiner Dissertation befasste er sich mit der Wechselwirkung und Reibung polarer Oberflächen, welche Wasser auf der nano-Skala einschließen. Von 2017 bis 2020 forschte er als Postdoktorand am Laboratoire Interdisciplinaire de Physique in Frankreich. Seit 2021 leitet er die Forschungsgruppe Multiscale Materials Modeling am Stuttgart Center for Simulation Science als Nachwuchsgruppenleiter im Exzellenzcluster EXC 2075 für „Datenintegrierte Simulationswissenschaft“ und ist zusätzlich assoziiert am Institut für Computerphysik der Universität Stuttgart.
Der Karl-Freudenberg-Preis (interner Link) wurde 1986 aus Anlass des 100. Geburtstages von Prof. Dr. Karl Freudenberg von der Freudenberg-Gruppe gestiftet. Er geht an wissenschaftliche Arbeiten aus dem Bereich der Naturwissenschaften – insbesondere der Chemie und Biologie.
Nachwachsende Rohstoffe spielen in der nachhaltigen chemischen Industrie eine immer wichtigere Rolle. Eine vielversprechende Rohstoffquelle sind Mikroalgen, da sie atmosphärisches Kohlenstoffdioxid fixieren und über Photosynthese komplexe organische Moleküle aufbauen. Die Freudenberg-Gruppe ehrt in diesem Jahr Dr. Natalie Schunck für ihre richtungsweisenden Forschungen über Algen und deren Einsatz als mikroskopische Bioraffinerien. Sie hat Methoden entwickelt, die das chemische Verfahren zur Verarbeitung von Rohstoffen für industrielle Anwendungen wesentlich effizienter gestalten. Ein bahnbrechender Erfolg ihrer Forschung ist die erstmalige Integration geeigneter synthetischer Katalysatoren in einzellige Kieselalgen. Die Arbeit zeigt, wie Algen als erneuerbare Ressourcenproduzenten eingesetzt werden können. Sie bieten damit eine nachhaltige Alternative zu den bisher genutzten fossilen Rohstoffen.
Dr. Natalie Schunck absolvierte ihr Studium in Life Science an der Universität Konstanz sowie an der University of Toronto in Kanada. Ein Programm der Universität Konstanz für ausgezeichnete Studierende ermöglichte es ihr, bereits vor Abschluss ihres Masters an ihrer Promotionsarbeit „Catalytic Olefin Methathesis in Living Microalgae“ zu forschen, die die Grundlage für die hier ausgezeichnete Arbeit schuf.
Angesichts der großen Bedeutung kultur- und sozialwissenschaftlicher Forschung stiftete die Firma Witzenmann GmbH 1997 den Walter-Witzenmann-Preis (interner Link) zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Baden-Württemberg. Honoriert werden Arbeiten, die sich wichtigen gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen und/oder den Möglichkeiten und Auswirkungen technologischer Transformation widmen und bei historischen Arbeiten den Bezug zur Gegenwart erkennen lassen. In diesem Jahr wird Dr. Paula Zschoche dem Preis für ihre Dissertation, die unter dem Titel „Haftung der Gewerkschaft für Arbeitskämpfe“ publiziert wurde, ausgezeichnet. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit der Frage ob, und unter welchen Umständen Gewerkschaften für die durch Arbeitskämpfe verursachten Schäden Schadensersatz leisten müssen. Ihre Argumentation bettet die Haftung für Arbeitskämpfe in ein privatrechtliches Verständnis des Arbeitskampfes ein.
Dr. Paula Zschoche studierte bis 2018 Rechtswissenschaft an der Universität Heidelberg. Sie war dort im Anschluss am Institut für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Insolvenzrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Ihr Referendariat absolvierte sie am Oberlandesgericht Schleswig. Im Jahr 2022 wurde sie promoviert und legte 2023 erfolgreich die zweite juristische Staatsprüfung ab. Heute ist Paula Zschoche als Rechtsanwältin in Hamburg tätig.
Der Ökologiepreis der Viktor & Sigrid Dulger Stiftung (interner Link) gilt der Förderung von wissenschaftlichen Arbeiten aus geistes‑, sozial‑ und natur‑ sowie ingenieurwissenschaftlichen Fächern, die sich mit Umweltproblemen und deren Lösung befassen. Dr. Jingyuan Xu erhält den Preis in diesem Jahr für ihre Forschung, die sich auf nachhaltige thermoakustische Technologien für Kühlung, Heizung und Stromerzeugung konzentriert, wobei der Schwerpunkt auf erneuerbaren Energiequellen (z. B. Solarenergie) und Abwärme liegt. Ihre Arbeit umfasst die Bereiche Kühlung, Tieftemperaturtechnik, Stromerzeugung, Wärmepumpen und Mehrgenerationssysteme. Thermoakustik ist eine neue Energietechnologie, die zum Heizen, Kühlen oder zur Stromerzeugung eingesetzt werden kann. Bei dieser Technologie wird thermische Energie im thermoakustischen Motor in akustische Energie umgewandelt und die akustische Energie genutzt, um Wärme über eine thermoakustische Wärmepumpe zu pumpen oder Strom über einen Generator zu erzeugen. Die thermoakustische Technologie kommt ohne schädliche ozonschädigende Gase oder mechanisch bewegte Teile aus und bietet die Möglichkeit einer kostengünstigen Installation auf der Grundlage einfacher Komponenten.
Dr. Jingyuan Xu ist Leiterin der CZS Nexus-Forschungsgruppe für "emissionsfreie und umweltfreundliche Heiz- und Kühltechnologien (ZEco Thermal Lab)" am Karlsruher Institut für Technologie. Bevor sie zum KIT kam, arbeitete sie an der University of Cambridge und am Imperial College London. Neben fast 60 Veröffentlichungen ist sie Inhaberin von 15 Patenten. Xu hat den Leopoldina-Preis für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Deutschen Akademie der Wissenschaften erhalten und ist Mitglied der Global Young Academy.
Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu ermutigen und herausragenden wissenschaftlichen Leistungen die ihnen gebührende Anerkennung zu sichern, hat der Unternehmer Dr. Dr. h.c. Manfred Fuchs einen Forschungspreis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Baden-Württemberg gestiftet. 2024 geht der Manfred-Fuchs-Preis (interner Link) an den Juniorprofessor Dr. Cosimo Posth für seine Arbeiten zur Menschlichen Paläogenomik. Posth arbeitet an der Schnittstelle von Archäologie, Anthropologie, Linguistik und Populationsgenetik und kombiniert gewinnbringend die verschiedenen Methoden, um die genetische Vielfalt der Vergangenheit zu entschlüsseln. Hierfür wendet er modernste Techniken der Molekularbiologie und Populationsgenetik an, um genomische Informationen aus alten DNAs zu extrahieren und zu analysieren. Dadurch gewinnt er Erkenntnisse über die menschliche Geschichte und Evolution der letzten zehn- bis mehreren hunderttausend Jahren. Mit seiner Forschungstätigkeit hat Posth stets versucht, Brücken zwischen teilweise sehr unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen zu schlagen, um ein umfassenderes Bild der Menschheitsgeschichte zu erhalten. Die Einbeziehung und Berücksichtigung vielfältiger Belege aus den Natur- und Geisteswissenschaften ermöglichte es ihm, ein neues Licht auf unsere Geschichte zu werfen.
Jun.-Prof. Dr. Cosimo Posth machte seinen Bachelor und Master in Naturwissenschaften und Biologische Anthropologie an der Universität Florenz und wurde in Naturwissenschaftlicher Archäologie an der Universität Tübingen promoviert. Anschließend arbeitete er als Postdoktorand und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. Seit 2020 ist Posth Juniorprofessor für Archäo- und Paläogenetik an der Universität Tübingen und am Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment.
Die Schmeil-Stiftung hat 2016 den Otto-Schmeil-Preis (interner Link) zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der biologischen und medizinischen Forschung gestiftet. Er wird alle zwei Jahre von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften verliehen. Der Preis ist dem Gedenken an den Biologen Otto Schmeil gewidmet. Dr. Mari Sepp erhält den Preis dieses Jahr für eine Arbeit, in der sie die zelluläre Entwicklung und Evolution des Kleinhirns von Säugetieren von Mensch, Maus und Opossum mittels Einzelzellsequenzierungstechnologien entschlüsselt hat. Eine einheitliche Klassifizierung zellulärer Vielfalt im sich entwickelnden Kleinhirn zeigt, dass die Programme zur Definition der Kleinhirnzelltypen seit mindestens 160 Millionen Jahren erhalten geblieben sind. Zudem wurden Gene identifiziert, deren Expression in den Zelltypen während der Evolution variierte oder neue Expressionspfade entwickelten. Insgesamt erweitert die Studie unser Verständnis der Evolution des Säugetiergehirns.
Dr. Mari Sepp studierte in Tartu und in Tallinn in Estland, wo sie 2012 in Genetischer Technologie promoviert wurde. Seit 2017 ist sie als Postdoktorandin am Zentrum für Molekulare Biologie (ZMBH) an der Universität Heidelberg tätig, wo sie an den molekularen sowie zellulären Ursprüngen und Evolution von Wirbeltierorganen forscht.
Der von Manfred Lautenschläger durch seine Stiftung ermöglichte Preis kommt gezielt den Geistes- und Kulturwissenschaften zugute, deren Status als Orientierungswissenschaften für unsere Gegenwart er mit seinem Fokus auf Geschichte, Gesellschaft und Kultur betont. Er soll für junge Forschende „Anerkennung“ und „Motor“ zugleich sein.
2024 geht der Manfred Lautenschläger-Preis (interner Link) an Dr. Helen Ahner für ihre Dissertation „Planetarien. Wunder der Technik – Techniken des Wunders“. Am Anfang des 20. Jahrhunderts ermöglichten es die ersten öffentlichen Planetariumsvorführungen einem breiten Publikum den Weltraum von der Erde aus zu entdecken. In ihrer Arbeit spürt Ahner den Gefühlen, Wahrnehmungen und Erzählungen nach, die durch den Planetariumsbesuch entfacht wurden. Auf Grundlage von über 900 Quellen zeigt sie, wie Planetarien zu Orten wurden, an denen sich Wissen, Wahrnehmen und Wundern verbanden und an denen Menschen lernten, sich modern zu fühlen.
Dr. Helen Ahner studierte Empirische Kulturwissenschaft und Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen. Nach einer anschließenden vierjährigen Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft wurde sie 2021 auch dort promoviert. Zurzeit arbeitet sie in Berlin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung im Forschungsbereich Geschichte der Gefühle.
Der von der Hector Stiftung gestiftete Preis richtet sich an junge Forschende aus dem Bereich Informatik, die durch Anerkennung ihrer herausragenden wissenschaftlichen Leistungen ermutigt werden sollen. Dieses Jahr geht der Hector Stiftung-Preis (interner Link) an Dr. Noémie Jaquier, die mit ihrer Forschung das langfristige Ziel verfolgt, Roboter mit menschenähnlichen Lern-, Anpassungs- und Bewegungsfähigkeiten auszustatten. In ihrer Arbeit „Geometry- aware manipulability learning, tracking and transfer“ kombiniert sie innovativ Methoden des maschinellen Lernens und der Bewegungskontrolle mit mathematischen Methoden. Jaquier zeigt eine neue Perspektive auf das Problem des Erlernens von aufgabenspezifischen Anforderungen bei komplexen und präzisen Roboterbewegungen. Der Ansatz zeigt die Vorteile geometrischer Methoden in der Robotik und ermöglicht die Übertragung von Bewegungsstrategien, die über die reine Nachahmung von Trajektorien, Kraft- oder Impedanz-Profilen hinausgeht. Somit ist Jaquiers Forschung zukunftsweisend auf dem Gebiet der intelligenten Robotik.
Dr. Noémie Jaquier studierte Mikrotechnik, Robotik und autonome Systeme sowie Computational Neurosciences an der renommierten EPFL (Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne) in der Schweiz. Während ihrer Dissertation arbeitete sie am Idiap Research Institute und absolvierte ein sechsmonatiges PhD-Sabbatical am Bosch Center for Artificial Intelligence (BCAI) in Deutschland. Seit dem Abschluss ihrer Promotion im Jahr 2020 widmet sie sich ihrer Forschungstätigkeit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), im High Performance Humanoid Technologies Lab (H²T).